Schulz ist halt keine Merkel

Wenige Monate vor der Bundestagswahl ringt die SPD um Fassung. "Klatsche", "0:3", "Ich bin auch kein Zauberer"... Schulz macht der Partei Mut nach NRW, und schaut neidisch auf die Konkurrenz.



Reichlich bedröppel sah er aus, als er kurz nach Bekanntgabe der Hochrechnungen zur NRW-Wahl im Berliner Willy-Brand Haus vor die Kameras trat. Martin Schulz, einst Hoffnungsträger und jetzt Aushängeschild der neuesten SPD-Wahlschlappe, war bemüht, die Wahl als regionale Entscheidung darzustellen, ohne dabei der just zuvor zurückgetretenen Hannelore Kraft allzu sehr auf die Füße zu treten. Er war es jedoch selbst, der zuvor das Votum zur Richtungswahl erhoben hatte. Und zu einem nicht unwesentlichen Teil trug die Substanzlosigkeit der neuen SPD-Bundesspitze letztlich trotz aller Beteuerungen auch zur Niederlage bei.

 Schulz sagt jetzt öffentlich, er habe verstanden, und er plane, bald konkrete Programmpunkte für die Bundestagswahl vorzustellen. Auch einige (vergleichsweise) neue, freundliche Gesichter sollen gezielt in den Vordergrund gestellt werden und das Profil der Partei schärfen (*hust* Katharina Barley *hust*). Schade nur, dass diese öffentlich bislang vorrangig Wahlniederlagen weg-zu-diskutieren hatten. Etwas wird man sich aber einfallen lassen müssen, oder Schulz darf am 25. September eine ähnliche Rede erneut halten, dann im Anschluss an seinen eigenen Rücktritt. Dass die hohle Phrase von mehr "sozialer Gerechtigkeit" als Mobilisator allein nicht reicht, ist eindrucksvoll unter Beweis gestellt worden.

Freuen hingegen kann sich die CDU. Unter der Führung von Angela Merkel hat sie im Verlauf der letzten 12 Jahre weitestgehend alle zuvor erfolgsversprechenden Positionen der SPD gekapert oder neutralisiert. Programmatisch trennen CDU und SPD heute bestenfalls noch semantische Unterschiede. Diese Annäherung der Volksparteien, angestoßen von Schröders Agenda 2010, hat die Union im Verlauf von zwei separaten großen Koalitionen konsequent weiter zementiert. Mindestlohn, Rentenreform, Kita-Anspruch: einst groß-plakatierte Sozialdemokratische Ziele sind umgesetzt, ohne dass die Umfragewerte der SPD oder ihrer in den entsprechenden Ressorts zuständigen Minister daraus Profit hätten schlagen können. 

Über allem thront die Kanzlerin, sie mischt mit im großen Weltgeschehen, trifft Staatslenker, Diktatoren und Donald Trump, sie spielt Championsleague, alle anderen Parteien Kreisliga. Ihre Aura überstrahlt alle Querelen um den schleichenden Linksruck der CDU. Nicht in vollem Umfang mitgezogen hat sie den Unionspartner CSU, der fröhlich gegen Flüchtlinge krakeelt und hirnlose Symbolpolitik à la PKW-Maut wider besseren Wissens vorrantreibt. Doch selbst Horst Seehofer hat wohl gerade genug gesunden Menschenverstand, sich nicht zu weit von der Kanzlerin zu distanzieren. Denn ob man sie nun mag oder nicht; ihr allein ist es zu verdanken, dass die Union derzeit nicht ähnlich ziellos umherirrt, wie die SPD es tut.



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