Scholz sagt "Sorry"

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Nur wenige können Behaupten, im Vorfeld nicht geahnt zu haben, was sich letzte Woche am Rande des G20 Gipfels in Hamburg zutragen würde. Zu diesem exklusiven Klub zählt offenbar aber auch Hamburgs erster Bürgermeister Olaf Scholz. Vor dem Gipfel versprach er noch, durch den massiven Polizeieinsatz könnten "Straftaten und unfriedliche Kundgebungsverläufe unterbunden" werden. "Seien sie unbesorgt: Wir können die Sicherheit garantieren".


Autsch. Am Mittwoch trat Scholz vor die hamburgische Bürgerschaft und entschuldigte sich bei den Bürgern der Hansestadt dafür, nicht in der Lage gewesen zu sein, die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten. Straftäter sollen nun gefasst und ein "Härtefallfonds" für Betroffene eingerichtet werden. Nur sind erstere zum großen Teil wohl schon über alle Berge, gerade Mitglieder linksextremer Gruppierungen aus anderen EU-Staaten wie Griechenland, Frankreich oder Italien. Und auch wenn die monetären Schäden sicher nicht unerheblich ausfallen werden sind sie nicht das zentrale Problem, welches für Scholz aus dem Chaos rund um G20 entstanden ist.

Was in Hamburg geschehen ist, war ein Angriff auf das Gewaltmonopol des Staates.

Es ist der Anschein, dass seine Regierung entgegen seiner Versprechung eben nicht in der Lage ist, die Sicherheit ihrer Bürger zu garantieren. Was in Hamburg geschehen ist, war ein Angriff auf das Gewaltmonopol des Staates. Hamburg hat über Jahrzehnte rechtsfreie Räume in der Stadt geduldet, in denen der Einsatz von Gewalt zur Durchsetzung demokratiefeindlicher Ideologien akzeptiert, gar bejubelt wird. Inmitten der Stadt existiert eine autonome Parallelkultur, aus der auch die Organisatoren des Demonstrations-Bündnisses "Welcome to Hell" stammten. Und trotz aller Planung der Behörden und 20.000 zusätzlichen Einsatzkräften gelang es gewaltbereiten Extremisten, öffentlichkeitswirksam Fahrzeuge und Barrikaden in Brand zu stecken, Geschäfte zu plündern und Polizisten zu verletzen.

Ähnliche Akzeptanz für rechtsfreie Räume rechtsextremer Gruppierungen wäre in einer deutschen Großstadt undenkbar. Dass die Gefahr, die von organisierten und gewaltbereiten Linksextremismen in Deutschland ausgeht, systemisch unterschätzt und zum Teil verharmlost wird, stellt CDU-Innenminister de Maizière alljährlich bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes heraus. Was folgt ist das übliche abgenutzte "Sind wir auf dem linken Auge blind" von Springer oder FOCUS, liberale Medien berichten über die neusten Entwicklungen im NSU-Prozess, und alles geht weiter wie bisher.

Die Hamburgische CDU wittert nun Morgenluft und fordert den Rücktritt des ersten Bürgermeisters, doch braucht sie sich nichts vormachen, auch unter Ole von Beust wäre der Gipfel nicht anders verlaufen. Das Problem sitzt tiefer. In der Vergangenheit haben die Behörden zugelassen dass radikale, verfassungsfeindliche Bewegungen Strukturen ausbilden konnten, um Anhänger zu rekrutieren, die ihre Weltanschauung mit Gewalt zu verteidigen suchen. Im digitalen Zeitalter sind diese Gruppen dazu auch international lückenlos vernetzt, und können so eine unbestimmbare Anzahl gewaltbereiter Autonomer zu Großevents wie dem G20 Gipfel mobilisieren.  

 "Die Linkspartei ist der parlamentarische Arm des Schwarzen Block"
Andreas Dressel, SPD

Eine verpasste Gelegenheit ist in diesem Zusammenhang das empörende Verhalten den Hamburgischen Linksfraktion. Politiker der Partei traten auf Demonstrationen auf, die in der Folge in Gewalt umschlugen. Später verharmlosten Sprecher der Partei die Gewaltexzesse, und beschuldigten die Polizei der Provokation und eines zu harten Vorgehens. Zurecht kritisierte auch Olaf Scholz die Partei direkt bei seiner Erklärung in der Bürgerschaft. SPD-Fraktionsvorsitzender Andreas Dressel bezeichnete die LINKE als "parlamentarischen Arm des schwarzen Blocks". Die Antwort der Linken? Keinerlei Verantwortung will die Partei übernehmen und greift erneut die Führung der Polizeikräfte an, sie habe die Situation erst zur Eskalation getrieben. Die anti-demokratischen Elemente der Partei verhindern eine klare Haltung gegen Extremismus.

Alle Versuche und Appelle der Union oder erst recht der AfD, gegen Linksextremismus vorzugehen, treffen zwar bei den eigenen Unterstützern auf Zustimmung, sind aber für die übrigen Wähler nicht glaubwürdig. Als politisch motiviert werden die Anstöße abgetan, und die AfD hat zudem das genau gleiche Problem wie die LINKE, nur am anderen Ende des politischen Spektrums. Letztendlich sind dir Ursachen für Extremismus und Gewaltbereitschaft hinlänglich erforscht: Arbeitslosigkeit, Chancenlosigkeit und mangelnde Bildung. Solange sie Faktoren in der Gesellschaft sind, wird man sich wohl oder übel auch mit extremistischen Tendenzen auseinandersetzen müssen. Aufgabe der Gesellschaft ist es in der Zwischenzeit, sie als gefährlich und rückständig zu denunzieren.

Natürlich sieht die Stadtregierung im Licht der vorherigen Aussagen keinesfalls gut aus. Ob Olaf Scholz nachhaltig das Vertrauen der Hanseaten verloren hat, bleibt abzuwarten. Mit seiner Entschuldigung übernimmt er die politische Verantwortung, wirkliche Schuld trifft ihn aber höchstens in einer falsch gesetzten Erwartungshaltung. Was die Krawalle für die Sicherheitsstrategien bei künftigen politischen Großereignissen in Hamburg oder ganz Deutschland bedeuten, ist ebenfalls offen. Sollten die jüngsten Entwicklungen Scholz tatsächlich das Amt kosten, dem zugrundeliegenden Problem wäre damit keinerlei Abhilfe verschafft. Sofern er für die SPD im kommenden Wahlkampf nicht zur erheblichen Belastung wird, wird die Partei am fähigen Politiker Scholz festhalten wollen.

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