Ein Blick in den Sumpf

Kaum zurück von seiner ersten Auslandsreise darf der Trumpster sich zuhause auf neue Russland-Vorwürfe freuen. Laut Quellen der Washington Post steht nun sein Schwiegersohn und enger Vertrauter Jared Kushner im Zentrum der FBI-Untersuchung. Er soll noch vor der Amtseinführung im Januar mit dem russischen Botschafter Sergey Kysliak die Einrichtung einer geheimen Verbindung zwischen den Kreml und dem Weissen Haus besprochen haben. Ob diese Verbindung tatsächlich eingerichtet wurde, oder gar noch heute besteht, ist nicht gesichert.

Kushner stand bereits zuvor wegen finanzieller Verbindungen zu russischen Investoren in der Kritik. Das Treffen mit Kysliak soll im Dezember stattgefunden haben. Der russische Botschafter war bereits mehrfach in Kontroversen bezüglich der Trump-Administration verwickelt; nach einem Treffen mit dem nationalen Sicherheitsberater Michael Flynn musste dieser nach nur 3 Wochen im Amt zurücktreten; ein Gespräch mit Justizminister Jeff Sessions am Rande des republikanischen Parteitags im Juni 2016 zwang Sessions zur eigenen Entbindung von allen mit der Wahluntersuchung in Verbindung stehenden Entscheidungen; auch waren es Kysliak und der russische Außenminister Sergey Lawrow, denen gegenüber Trump vor kurzem im Oval Office Geheimdienstinformationen offenbarte, die womöglich aus Israel stammen (Trump schien die Herkunft der Informationen kürzlich zu bestätigen, wenn auch die Aussagekraft dieses Statements mit Vorsicht zu genießen ist) und deren Veröffentlichung Geheimdienstquellen kompromitiert haben sollen. Unbestätigten Berichten zufolge bezogen sich die Informationen auf IS-Pläne, wonach Flugzeuganschläge mit modifizierten Laptops und anderen Elektronikgeräten durchgeführt werden sollten.

Unterstützer des Präsidenten sehen darin nichts Verwerfliches, sie behaupten, ein gutes Verhältnis mit Russland sei für die USA doch eher von Vorteil, und überhaupt sei diese jüngste Episode nichts Weiter als der neueste Versuch der Mainstream Medien, die Legitimität des Präsidenten und seines Teams zu untergraben. Das Problem sei demnach nicht die immer erdrückendere Indizienlast gegen Trump, sondern die Leaks, welche eine schockierende Zahl von ebenso schockierenden Vorgängen innerhalb der Trump-Administration fortlaufend an die Öffentlichkeit tragen.

Dass diese Leaks tatsächlich ein ernsthaftes Problem darstellen und auf kurz oder lang auch die nationale Sicherheit der USA gefährden können, steht außer Frage. Nach dem Anschlag in Manchester gelangten bis dato geheimgehaltene Informationen über den Täter und die Bombe in die Hände amerikanischer Zeitungen, unter anderem der New York Times. Daraufhin kündigten britische Untersuchungsbehörden an, künftig keine Informationen mehr zu dem Fall mit den US-Behörden zu teilen. Im gleichen Licht erscheint auch Trumps Weitergabe ausländischer Geheimdiensterkenntnisse an die russischen Vertreter vor zwei Wochen im Oval Office. So sehr Trump und seine Unterstützer auch beteuern, als Präsident könne er technisch gesehen überhaupt keine Staatsgeheimnisse ausplaudern (ein durch den Präsidenten veröffentlichtes Staatsgeheimnis ist automatisch deklassifiziert), in zukünftigen Fällen werden internationale Behörden spätestens jetzt ganz genau abwägen, welche Daten sie an die USA weitergeben.

Die Motive der anonymen Informanten bleiben meist im Unklaren. Konservative Beobachter sprechen von einer Verschwörung des “Deep State“, altgediente Staatsbeamte, die sich in den Tiefen der amerikanischen Bürokratie gegen den neuen Machthaber auflehnen. Dessen Ankündigung, den "Sumpf trockenzulegen" (typisch Trump auf die eingängige, 3-silbige Formel "Drain the swamp" heruntergekocht), wurde allgemein als Kampfansage an die etablierten Institutionen in Washington verstanden, welche für Teile der amerikanischen Wahlbevölkerung emblematisch für die Klüngel der verhaßten, abgehobenen Washingtoner Politik stehen. Das Wort Verschwörung ist an dieser Stelle wohl zu stark, zumal es dafür einer gewissen Koordination und konkreterer Zielsetzung bedarf. Dass Trump aber bereits bei seinem Einzug ins Weisse Haus nur wenig Freunde in Washington hatte, und er mit seinen selbstzerstörerischen Aussagen, hochverdächtigen Ablenkungsmanövern und meist schlicht gelogenen Erklärungen sicher keine Neuen gemacht hat, dürfte allen Beteiligten klar sein.

Der Weg aus dem Schlamassel könnte so einfach sein: Die Republikaner stellen bis frühestens 2018 die Mehrheit im Senat sowie im Repräsentantenhaus und nur wenige republikanische Vertreter wagen bislang, sich offen gegen den Präsidenten zu stellen. Sie sind sogar gerne bereit, jede noch so lächerliche Aussage des Weissen Hauses zu verteidigen, solange ihnen der Präsident nicht wenige Tage später in den Rücken fällt und aufwendig fabrizierte Ausreden innerhalb von Sekunden in Fernsehinterviews lächerlich macht. Die republikanische Partei hat wiederholt gezeigt, dass sie bereit ist, Eskapaden des Präsidenten zu rechtfertigen, sein Ego zu ertragen und lachhafte Auftritte von Sean Spicer un Co. auszusitzen. Alles, um um dem progressiven Werteverfall seit einer Zeit, in der Amerika einst great war, Einhalt zu gebieten. Obama Ära-Gesetze und Regularien sollen zurückgenommen, Einwanderungsgesetze verschärft und Steuern für Unternehmen und Gutverdiener gesenkt werden. Ein Amtsenthebungsverfahren braucht er aus diesem Grund vorerst nicht fürchten.

Auch seine Beliebtheitswerte sind zwar im Vergleich zu seinen Vorgängern unterirdisch, halten sich derzeit aber noch konstant bei etwa 40% Zustimmung. Seine Basis steht weiter hinter ihm und scheint von den Widersprüchen, kriminellen Anschuldigungen und bereits zurückgezogenen Wahlversprechen Trumps's verhältnismäßig unberührt. Militärische Zurückhaltung, Obamacare-Wiederufung ohne Kürzungen bei MEDICARE und MEDICAID, die von Mexiko finanzierte Mauer an der Südgrenze der USA; nichts davon wird wohl je Wirklichkeit werden. Teils werden Trump-Supporter wohl noch durch ihre Filterblase aus FOX News, Breitbart und Drudge Report vor diesen Realitäten geschützt, teils haben sie es akzeptiert, sehen Trump aber dennoch weiterhin als "einen der ihren", ihr einziges Sprachrohr gegen die mächtigen Eliten und etablierten Institutionen, die sie mehr als alles andere verachten.

Eine präsidialere Haltung, sein Temperament etwas gezügelter, gäbe er die nächtlichen Twitter-Eskapaden auf und könnte er sein Temperament nur etwas eher im Zaum halten, vermutlich würde niemand daran zweifeln, dass er seine erst Amtszeit zumindest regulär zu Ende brächte. Republikaner haben durchaus Recht wenn sie sagen, bis auf wilde Anschuldigungen und nebelhafte Indizien sei bisher Nichts per se illegales über Trumps Russlandverbindung bekannt. Viele Beamte riskieren derzeit ihre Karrieren und schlimmstenfalls ihre Freiheit, um Informationen aus dem Innern des Weissen Hauses zu veröffentlichen. Was sie hervorbringen zeugt von Chaos, Inkompetenz, und teilweise schlicht Bösartigkeit, nichts jedoch kann bisher als handfester Beweis für die Russland-Connexion der neuen Regierung herhalten. Und der negative Ton der Berichterstattung lässt sich leicht als Resultat des von Trump immer weiter angeheizten Konflikts mit der etablierten Mediengesellschaft abtun. Der geradezu frenetische Ansturm auf jede noch so irrelevante Trump-Story, die stundenlange Beschäftigung mit einzelnen Tweets oder Aussagen des Präsidenten, auch die sogenanntem Mainstream Medien haben sich wahrlich nicht mit Ruhm bekleckert.

Die Demokraten schreien ihrerseits seit der Wahl Zeter und Mordio, fordern nach jedem neuen Leak ein Amtsenthebungsverfahren (Impeachment), dennoch sind sie in ihren Handlungsmöglichkeiten stark eingeschränkt. Die demokratische Basis ist hochmotiviert, nennt sich selbst "Der Widerstand" (The Resistance), und manifestiert sich zahlreich bei Demonstrationen und durch explodierende Parteispenden für einzelne demokratische Kandidaten. John Ossoff sammelte für seinen Wahlkampf im 6. Bezirk des Bundestaats Georgia über 8 Millionen Dollar, und hat nun gute Aussichten, in Kürze bei einer Sonderwahl in das Repräsentantenhaus einzuziehen. Bei der jüngsten Wahl in Montana verkürzten die Demokraten den Abstand zu den Republikanern von 24% im November, bei der Presidentschaftswahl, auf nur 7% bei der jüngsten Sonderwahl für das Repräsentantenhaus (Republikaner und Tech-Millionär Greg Gianforte, der die Wahl gewann, kam am Vortag nach einem tätlichen Angriff auf einen Reporter in die Schlagzeilen, was aber aufgrund des hohen Anteils von Früh- und Briefwählern keinen entscheidenden Unterschied mehr machte). Ein emphatischer Sieg bei den 2018 anstehenden Wahlen, bei der ein Teil des Senats sowie das gesamte Repräsentantenhaus zur Wahl steht, scheint durchaus möglich. Und das, obwohl die Partei zutiefst uneins ist über Personalien, Themen und Botschaft. Sie vertraut darauf, mit kategorischer Ablehnung gegen Trump punkten zu können, und bislang scheint dies zu funktionieren, wenn auch nur in begrenztem Ausmaß.

Die Hoffnung der Demokraten ist einfach: Irgendwann muss das trumpsche Kartenhaus zusammenbrechen, entweder durch klare Beweise für eine Wahlmanipulation der Russen mit Wissen der Trump-Kampagne oder durch die Eskalation eines oder mehrerer der vielen "Nebenskandale": so steht derzeit etwa der Vorwurf der Justizbehinderung im Raum, nachdem der Präsident den FBI-Direktor James Comey gefeuert hatte und Aufschriebe Comey's sowie neuerliche Leaks Versuche Trumps offenbarten, Einfluss auf die Ermittlungen gegen seine Kampagne zu nehmen. Auch hier verweist die Regierung stur darauf, die Entlassung des FBI-Chefs liege innerhalb des Kompetenzbereichs des Präsidenten. Was zwar einerseits stimmt, andererseits allerdings den historischen Kontext der Entscheidung ignoriert: Einmischung in den Ablauf der Justiz brachte einst Präsident Richard Nixon zu Fall, der die politischen Folgen des von ihm veranlassten Einbruchs in das Hauptquartier der Demokraten im Watergate Hotel in Washington 1972 wohl noch überlebt hätte, möglicherweise auch das Bekanntwerden eines Tonband-Gerätes im Oval Office*. Nicht jedoch die Konsequenzen seines Versuchs, die Ermittlungen des Justizministeriums zu behindern, die 1973 in der als Saturday Night Massacre bekannten Entlassung dreier hochrangiger Justizministeriumsbeamter gipfelte. Nachdem der erste Schritt eines Impeachment-Verfahrens wegen Justizbehinderung gegen ihn mit einer absoluten Mehrheit im Repräsentantenhaus verabschiedet wurde, trat Nixon zurück, um der endgültigen Verurteilung und offiziellen Amtsenthebung durch eine Senatsmehrheit zu entgehen. Auch Bill Clinton wurde im Anschluss an die Affäre mit seiner Assistentin Monica Lewinsky mit dem Vorwurf der Justizbehinderung vom Räpresentantenhaus impeached, im Senat fand sich jedoch damals keine Mehrheit für eine Verurteilung.

Der Vorwurf birgt also durchaus eine gewisse Sprengkraft und Trump wäre gut beraten von nun an einen weiten Bogen um jede mit der Ermittlung gegen ihn involvierte Person oder Institution zu machen. Die jüngste Vergangenheit legt nahe, dass er das nicht tun wird. Ist er tatsächlich unschuldig, wie er von sich selbst weiterhin behauptet, so hat er auch wenig zu fürchten. Michael Flynn, Paul Manafort und Carter Page, ehemalige Kampagnen-Mitarbeiter, die bisher die zentralen Elemente der Ermittlung waren, sind nicht mehr direkt mit ihm affiliiert. Die Ermittlungen schienen zu versanden bis zum Zeitpunkt der Entlassung Comey's, die einen von allen Seiten wahren Sturm der Entrüstung losbrach. Diese war, wie alles, was seitdem passierte, selbst verschuldet. Und Trump selbst wird auch weiter sein eigener schlimmster Feind bleiben. Die Frage ist nur, ob er es irgendwann wahrhaftig zu weit treibt.








*Der geniale Taktiker Trump drohte dem geschassten FBI-Chef in einem Tweet: “Comey better hope there are no “tapes“ of our conversations“(Comey sollte hoffen, dass es keine “Aufnahmen“ unserer Gespräche gibt)

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