Angst und Wut


Nach dem Angriff auf Kunden eines Hamburger Supermarktes letzten Freitag hat sich nun die Generalbundesanwaltschaft dem Fall angenommen. Hetzer und Populisten dürften sich dadurch bestärkt fühlen, denn damit wertet die Justiz den Vorfall als "politisch motivierten Delikt". Die BILD-Zeitung ist insgesamt schockiert, dass wir nicht alle bereits in helle Panik ausgebrochen sind.

Dabei fällt es schwer, die Tat als den staatsgefährdenden Anschlag zu sehen, zu dem er hochstilisiert wird. Der festgenommene Täter hatte offenbar keine Unterstützung von radikal-islamistischen Netzwerken, entschloss sich erst zwei Tage vor der Tat zu einem Islamistischen Lebenswandel und galt wohl bereits zuvor als psychisch labil. Zum Glück für die Springer-Presse war er wenigstens ein bereits abgelehnter Asylbewerber, sonst würde der Fall herzlich wenig zum zentralen Geschäftsmodell, der Angstmacherei, beitragen können.

Auch über den Duktus der Politik wird sich erzürnt, man möge es doch bitte einen Terroranschlag nennen, denn das entspreche dem *Gefühl* der Bevölkerung. Selbst der Täter bezeichne sich als Terrorist, und suizidale Messerstecher sind ja hinlänglich bekannt für ihr feinsinniges Gespür für Semantik.

Zuletzt wütet man darüber, dass die Abschiebung des Täters bislang scheiterte, obwohl er als Islamist eingestuft war. Laut Behörden lag dies daran, dass keine gültigen Papiere vorlagen. Die dümmste und lauteste Stimme im Raum klagt: "Wieso kann man in Deutschland ohne Papiere ein-, aber nicht ausreisen?".

Natürlich ist dieses Statement lächerlich. Wer will, der kommt mit oder ohne Papiere über die Deutsch Grenze, zur Not eben zu Fuß über Wald und Wiesen. Wohin aber sollte der Deutsche Staat unerlaubt Eingereiste ohne Papiere schicken, ohne Nachweis über die tatsächliche Herkunft des Betroffenen? Einfach auf Verdacht irgendwohin, aufgrund des Aussehens oder der Sprache? Selbst den Angaben des Betroffenen selber kann nicht unbedingt Glauben geschenkt werden, immerhin waren diese zuvor ja bereits nicht glaubwürdig genug, um ihm Asyl zu gewähren.

Neben der fahrlässigen Simplifizierung des Falles nimmt die populistische Presse ein viel größeres Risiko in Kauf: erst durch die hochtrabende Berichterstattung wird der Vorfall überhaupt zum Politikum. Mit aller Macht soll die Einzeltat eines Wahnsinnigen zum Symbol für das empfundene Versagen *von denen da oben* gemacht werden. Der Täter wird zum Märtyrer erhoben und die Politik als Hindernis bei der Bekämpfung dieser allgegenwärtigen, stets präsenten aber kaum greifbaren Gefahr des Islamismus hingestellt.

Ähnliche Empörung für Impfgegner, Autobahnraser oder die Hersteller von Getränkeautomaten, die zumindest in unseren Gefilden mehr Menschen bedrohen als der radikale Islamismus, findet sich auf den Seiten dieser als Zeitungen getarnten Klatschblätter nicht.

Selbstverständlich ist die Ideologie, die hinter dem radikalen Islamismus unserer Zeit steht, falsch und verabscheuenswert. Und noch immer viel zu viele junge Menschen finden in dieser Ideologie Antworten auf ihre Fragen, die unsere Gesellschaft ihnen nicht zu beantworten vermag. Dass sie den Tod im Namen des Islam ihrem hiesigen Leben vorziehen ist allerdings eher als Verfehlung unserer Gesellschaft zu sehen.

Mit jedem BILD-Artikel wird der die Mauer in den Köpfen zwischen *Uns* und *Denen* ein Stück höher. Das mag sich kurzfristig, gemessen an der Auflage des Blattes, rentieren, verhindert langfristig aber jeden produktiven Lösungsansatz. Zahlreiche Menschen übernehmen ihre Meinung per Copy&Paste aus dem einzigen Blatt, welches *ihre Sprache* spricht und das ganze mit fetten Schlagzeilen und bunten Bildern untermalt. Dieser Verantwortung scheint man sich allein im Axel-Springer-Haus aber nicht bewusst zu sein, stur wird behauptet, man schreibe nur, worüber bereits gesprochen würde.

Das ist natürlich ebenfalls Käse, denn spräche man bereits darüber, müsste man nicht extra darüber schreiben. Kürzlich veröffentlichte das Blatt sogar ein eigenes Wahlprogram, eine Mischung aus AfD- und Donald Trump-Positionen, idiotensicher auf wenige Schlagzeilen eingedämpft und mit Bildern von Burka-Trägerinnen, Überwachungskameras und maskierten Wohnungs-Einbrechern hinterlegt. Was außer der eigenen Auflage dadurch befördert werden soll, bleibt offen.

Dass sich die Leser der BILD von derlei Gezeter nicht beeinflussen lassen, bleibt wohl eine Wunschvorstellung. Aber auch diejenigen, über die geschrieben wird, werden durch die einseitige Berichterstattung beeinflusst. Es fällt nicht schwer sich vorzustellen, dass dieses systematische Schüren von Vorurteilen für die Betroffen ein gewisses Gefühl der Ausgeschlossenheit hervorruft. Himmel, stelle ich mir vor, dass Islamisten gegenüber uns eine ähnliche Wut empfinden, wie ich auf die BILD-Zeitung, wird ihre Einstellung sofort nachvollziehbarer.

Wie in den meisten Fällen würde etwas Zurückhaltung von allen Seiten Wunder wirken, um die Situation zu entschärfen. Jedoch ist es leider fast wahrscheinlicher, dass Islamisten irgendwann vernünftig werden, als dass die BILD dies tut.

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